In Berkenthin wird über die wirtschaftlichste und nachhaltigste Art der Wärmeversorgung diskutiert. Bürgermeister Friedrich Thorn diskutiert die Anmerkungen des Nachhaltigkeitsbeirates mit dem Physiker Jürgen Meereis, dem Projektleiter des Quartierskonzeptes vom Ingenieurbüro IPP ESN Power Engineering.

Bürgermeister Thorn: Der Nachhaltigkeitsbeirat meint, in Berkenthin sei ein Wärmenetz teurer als dezentrale Wärmepumpen. Im Quartierskonzept hatten Sie jedoch ein Wärmenetz empfohlen. Wie erklären Sie sich den Widerspruch?

Jürgen Meereis: In der uns vorliegenden Stellungnahme des Nachhaltigkeitsbeirat wurden bei den Kosten der Wärmepumpe nur die Stromkosten berücksichtigt, nicht aber die Anschaffungskosten der Wärmepumpe. Das ist so, als würde man beim Auto nur die Kosten des Benzins berücksichtigen, Kauf und Wartung / Reparatur aber außen vor lassen.

Ist ein Wärmenetz immer die beste Lösung?

Nein. In vielen ländlichen Gemeinden kommen wir zu dem Ergebnis, dass ein Wärmenetz sich nicht lohnt – teilweise sogar dort, wo mit einem Biogas-BHKW eine sehr günstige Wärmequelle vorhanden ist. Meistens ist man dann vor Ort sehr enttäuscht, weil ein Wärmenetz viele qualitative Vorteile hat. Aber in der Tat ist mit dem Verlegen eines Wärmenetzes ein Aufwand an Arbeit (Tiefbau) und Ressourcen (Stahl und / oder Kunststoffe für die Rohre) verbunden, der auch Kosten verursacht. Ein Wärmenetz lohnt sich nur dann, wenn genügend Wärme pro Meter Wärmenetz abgenommen wird – dies wird berechnet in Form der Wärmeliniendichte. In Berkenthin ist diese so hoch, dass ein Wärmenetz eine kostengünstigere Wärmeversorgung ermöglicht als dezentrale Lösungen – wenn sich genügend Eigentümerinnen und Eigentümer anschließen lassen.

Aber ist es denn ökologisch sinnvoll, so viel Stahl und Kunststoff für das Wärmenetz zu vergraben?

Wenn die Wärmeliniendichte hoch genug ist, wie in Berkenthin, ja: Es ist auch mit einem großen Ressourcenaufwand verbunden, für jedes Haus eine eigene Wärmepumpe herzustellen. Zudem ist die Wärmeerzeugung in einer Heizzentrale effizienter als in vielen kleinen Wärmepumpen. Dies macht dann sogar Wärmeverluste im Netz wett. Letztlich sind die Kosten ein Indikator für die ökologische Effizienz, und die sprechen in Berkenthin für das Wärmenetz.
Für Berkenthin böte ein Wärmenetz die Gelegenheit, auf einen Schlag große Teile der Gemeinde auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung umzustellen. Es ist also auch viel nachhaltiger als eine schrittweise Umstellung aller noch vorhandenen Erdgas- oder Heizölkessel auf Wärmepumpen, die erst 2045 abgeschlossen wäre.

Vom Nachhaltigkeitsbeirat wird darauf verwiesen, dass eine eigene Wärmepumpe auch zur Kühlung genutzt werden kann. Ist das angesichts des zunehmenden Klimawandels nicht sinnvoll?

Grundsätzlich ja. Die am Markt erhältlichen Wärmepumpen sind jedoch nicht alle auf diese Variante ausgerichtet und es sind im Haus passende Heizkörper und eine komplexe Steuerung erforderlich, um Schimmelbildung durch problematische Taupunkte zu vermeiden.

Es wird auch immer wieder gefragt, ob man bei einem Wärmenetz nicht vom Betreiber abhängig ist. Es soll Netze geben, bei denen beklagt wird, dass der Betreiber seine Monopolstellung ausnutze.

Die uns bekannten Beschwerden über gestiegenen Wärmekosten betreffen ausnahmslos alte Wärmenetze, in denen mit Erdgas geheizt wird. Die Kosten von Erdgas sind durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine drastisch gestiegen, und diese Kostensteigerung haben die Betreiber weitergegeben. Strittig ist z. T., ob die Preisänderungen angemessen berechnet wurden.
Für Berkenthin wäre dies nicht relevant, denn ein heute neu aufzubauendes Wärmenetz wird erneuerbare Energieträger nutzen. Darauf werden die Preise und die Preisgleitklausel basieren, an die der Betreiber gebunden ist. Willkürliche Preisänderungen sind also nicht zu befürchten. Zudem überwacht die Kartellbehörde die Preisgestaltung.

Herr Meereis, würden Sie sich an ein Wärmenetz anschließen lassen?

Unser Haus ist an ein Wärmenetz angeschlossen, und wir sind froh darüber, uns nicht mehr selbst um unsere Heizung kümmern zu müssen. Wenn ein Wärmenetz halbwegs wettbewerbsfähige Preise anbietet, ist das aus meiner Sicht immer die komfortabelste und beste Lösung.

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